Budapest

17 Nov 2017 09:36 pm
rabensturm: (kompass)
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Wir hatten nun einen ganzen Tag für die Stadt Budapest zur Verfügung. Es hätte auch Ausflüge gegeben, aber wir haben uns lieber auf eigene Faust auf den Weg gemacht.

Da unser Liegeplatz direkt an der Markthalle war, haben wir natürlich damit begonnen. Wir waren ziemlich zeitig, so dass noch nicht die ganze Geschäftigkeit in Gang war, aber so konnten wir zumindest die Architektur würdigen.



Die Markthalle wurde Ende des 19. Jahrhunderts errichtet und bietet auf zwei Etagen Händlern aller Art Platz. Man kann sich hier vermutlich quer durch die ungarische Küche essen – aber wir hatten ja gut gefrühstückt und wollten nur gucken.

Weiter ging es auf der Pester Seite zwischen all den schönen Stadthäusern. Wir wollten die Große Synagoge anschauen, die die zweitgrößte Synagoge der Welt sein soll (nach New York). Wir hatten schon bei der Stadtrundfahrt am Abend einen Blick auf die Türme werfen können – zu Fuß war es gar nicht so einfach sie zu finden, weil man die Türme aus den Straßenschluchten eben nicht sieht.



Wir mussten ein Weilchen anstehen, konnten uns schon mal in der Synagoge umschauen, bevor wir in einer deutschen Führung alles sehr anschaulich erklärt bekamen.

Auf den ersten Blick macht die Synagoge eher den Eindruck einer christlichen Kirche mit Längsschiff, Kanzel und Kirchengestühl. Es gibt sogar eine Orgel und selbst der Thora-Schrein macht den Eindruck eines Altars. Das war auch durchaus Absicht, denn als man die Synagoge Mitte des 19. Jahrhunderts errichtete, tat man das durchaus im Ansinnen, sich zu integrieren und in der Gesellschaft religiös nicht aufzufallen (neologische Juden). Ansonsten ist die Synagoge innen vor allem bunt, aber das war der orientalisch angehauchte Geschmack der Zeit.



Wenn man genauer hinschaut, erkennt man durchaus die jüdische Symbolik, Davidssterne überall. Und natürlich auch, dass die Männer alle eine Kippa trugen. Oder zumindest tragen sollten. Für die männlichen Besucher wurden am Eingang extra papierne Kippas Kippot ausgegeben. – Es ist bemerkenswert, wie viele Besucher der Aufforderung nicht nachkamen und mit bloßem Kopf umhergingen. Egal bei welcher Religion man sich im Gotteshaus befindet, es ist doch wohl das mindeste, den Respekt zu zeigen und solchen Vorschriften nachzukommen. Leute, ey.

Die Synagoge wurde im 2. Weltkrieg zum Glück nicht stark zerstört – wenn ich mich recht erinnere, weil sich ringsum das Ghetto befand, das nicht bombardiert werden sollte. Es gab nichtsdestotrotz viele jüdische Opfer im zweiten Weltkrieg in Ungarn, auch wenn die systematische Vernichtung erst 1944 begann. Nur wenig Zeit, aber dafür schon eingespielte Verfahrensweisen. Beklemmendes Zeugnis ist dafür der Friedhof hinter der Synagoge und die silberne Trauerweide, auf deren Blättern die Namen von verfolgten Juden stehen. Gleichzeitig soll die Weide an einen umgedrehten Chanukka-Leuchter erinnern.



Das war schon sehr eindrucksvoll – auch wenn es für wirkliche Besinnlichkeit einfach zu voll war, da strömten Touristen massenhaft hindurch. Aber gut, wir gehörten ja auch dazu…

Von der Großen Synagoge sind wir zum großen Stephansdom gegangen. Der ist gar nicht weit weg und seinerseits ein monumentales Bauwerk.



In der 1905 fertiggestellt Basilika finden über 8000 Leute Platz (Esztergom ist trotzdem größer). Hier zeigt sich klassizistische Pracht, Gold und Farbigkeit. Das ist schon sehr pompös, gefällt mir persönlich aber immer noch besser als barocke Überladenheit. ;) Durch die Größe verteilen sich auch die Besucherströme… und bisweilen hatte ich eher den Eindruck, mich in einem Museum zu befinden.



Dabei beherbergt der Dom sogar eine bedeutende Reliquie: die rechte Hand des Heiligen Stephan, die man einbalsamiert in einem Schrein besichtigen kann. Also, wir haben den Schrein gesehen und dass da was drin ist, ob das freilich eine Hand war… keine Ahnung.

Dass Stephan der 1. König Ungarns war, hatte ich ja bei Esztergom schon erwähnt, er christianisierte die Ungarn und einte das Reich. Beliebt sind die Abbildungen, wie er die Königskrone an die Jungfrau Maria reicht. Das deshalb, weil sein einziger Sohn schon im Kindesalter verstarb und Stephan deshalb das Königreich symbolisch in Marias Hände legen wollte. Ganz praktisch erbte es wohl sein Neffe, nachdem Stephan seine heidnisch veranlagten Brüder vom Königtum ausschloss. Er ließ sie blenden und ihnen Blei in die Ohren gießen, sehr christlich und heilig…

Nach so viel Kultur brauchten wir erst mal Stärkung, das war in den Straßen rings um den Dom kein Problem. Mit neuen Kräften machten wir uns zum Parlament auf, mussten aber leider erfahren, dass an dem Tag keine Führungen mehr frei waren. :( Dann also nur der Blick von außen:



Ein wirklich eindrucksvolles Gebäude, das ein bisschen an London und Hogwarts erinnert. Es wurde gleichfalls kurz nach der Wende zum 20. Jahrhundert fertiggestellt und beherbergt auch heute noch das Parlament, ein Museum und eine Bibliothek. Ein Besuch wäre sicherlich lohnend, aber gut, vielleicht ein andermal.

Vom Parlament aus sind wir an der Donau zurückgelaufen, dort am Mahnmal für die Juden, die hier 1944 und 1945 von den Pfeilkreuzlern erschossen wurden.



Das ist tatsächlich ein… schönes Mahnmal, wenn man solches Vokabular für so schreckliche Dinge überhaupt verwenden kann. Es ist still und eindringlich, aber nicht steril. Es ist traurig und nah, aber nicht künstlerisch abgehoben.

Wir sind weiter an der Donau entlanggegangen, über die Kettenbrücke hinüber auf die Buda-Seite. Dort ist oben auf dem Burgberg der Präsidentenpalast, die reste der Burg, die Fischerbastei. Man kann mit einer Standseilbahn hochfahren, wir sind aber tapfer gelaufen. Oben gibt’s einerseit tolle Aussicht auf die Donau und die Pester Seite der Stadt und natürlich die Altstadt da oben:



Wir sind bis zur Fischerbastei und der Matthiaskirche gelaufen. Die Fischerbastion ist dabei keine historische Festung, sie wurde erst um die Wende zum 20. Jahrhundert errichtet als malerisches… Monument. Weil hier der mittelalterliche Fischmarkt war, heißt es eben Fischerbastei.



Auch hier waren massenhaft Menschen unterwegs, wir haben uns hier aber nicht lange aufgehalten. Wir hätten durchaus Interesse gehabt, die Matthiaskirche noch anzuschauen – aber wir waren dann doch nicht mehr motiviert dazu. Also haben wir nur von außen geguckt, von oben auf den Fluss und sind dann doch wieder bergab geschlappt. Dann noch auf der Donauseite bis zur Freiheitsbrücke, dort noch zum anderen Ufer… und dann waren wir wieder am Schiff. Ziemlich fußlahm – und inzwischen dämmerte es auch schon wieder.



Wir waren also einen ganzen langen Tag zu Fuß in der Stadt unterwegs gewesen. Für einen Überblick hat das durchaus gereicht, wir sind uns aber sicher, dass sich Budapest auf jeden Fall auch mal für einen Stadttripp lohnt. Dann kann man auch mal in ein Museum gehen oder sich einen ganzen tag für den Burgberg Zeit nehmen. Ein lohnender Tag war es auf jeden Fall – und am Abend gab es noch einmal die Lichter der Stadt, als wir wieder donauaufwärts gefahren sind. :)

Stimmung:
fußlahm

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